liebe leserin, lieber leser
Diversity & Equity – eigentlich ein "non-issue", denn es sollte nicht nur gesellschaftlich eine Selbstverständlichkeit sein, sondern es ist noch dazu mehrfach belegt, dass vielseitige Teams bessere Leistungen erbringen als homogene Teams. Als Beispiel hierfür ein Artikel aus der Harvard Business Review, der sich mit dem Thema “Why diverse teams are smarter” befasst. Wer der grauen Eminenz der amerikanischen Universitäten nicht ganz traut, findet leicht weitere Studien online - zum Beispiel hier, hier oder hier.
Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich dem nur beipflichten. Vielfältige Teams sind nicht nur erfolgreicher, ich empfinde das Arbeiten in einem solchen Umfeld auch als bereichernder und es macht schlichtweg mehr Spass. Als Gedankenhilfe denke ich hier spontan an unsere Büro-Lunches, bei denen jeder ein selbstgekochtes Gericht mitbringt. Wenn da gegen 30 Personen mit unterschiedlichem Hintergrund dabei sind, führt das zu einem unglaublich abwechslungsreichen Mittagessen mit Mahlzeiten wirklich aus der ganzen Welt. Nur schon beim Gedanken daran läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Auch wenn ich zugeben muss, dass für mich ab und an auch etwas gar gewöhnungsbedürftige Gerichte dabei sind. Dennoch bin ich dem Koch für die Erfahrung dankbar… Diese kulinarische Erfahrung lässt sich aus meiner Sicht fast 1:1 auf den Arbeitsalltag übertragen. Oft sind wir heute mit komplexen Fragestellungen konfrontiert. Da gibt es nicht nur eine Lösung für eine Herausforderung, sondern immer mehrere. Genauso gibt es nicht mehr nur eine Generallösung, die auf jeden Kunden passt. Da müssen personalisierte Lösungen erarbeitet werden, die genau auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Vielleicht ist das für den einen ein – im übertragenen Sinne natürlich, wir sind ja keine Gourmet-Restaurant – Madras-Curry-Hühnchen und für den anderen eben eine Currywurst mit Pommes - je nach Bedarf und Geschmack, aber beides mit Curry, unserer Geheimzutat, die uns alle verbindet. Ohne Diversity wären solch verschiedene massgeschneiderte Lösungen wohl kaum möglich.
Das Gleiche gilt auch für Equity - auf gut Deutsch: Fairness.
Dies ist nicht zu verwechseln mit Gleichheit. Selbstverständlich stehe ich ein für Chancengleichheit in allen Bereichen (und nicht nur weil es von mir als CEO nicht anders erwartet wird - stellt euch den Shitstrom vor - nein, ernsthaft, mir ist klar, dass ich mich in einer privilegierten Lage befinde, umso mehr habe ich das Bedürfnis, mich dafür einzusetzen). Hier ist es besonders wichtig, Zugang zu verschiedenen Themen zu ermöglichen. Unser Hintergrund oder persönliche spezifische Gegebenheiten können eine Barriere bilden und einen Zugang verunmöglichen. Da ist es unsere Aufgabe in der Personalbranche, personalisierte Hilfeleistung zu bieten, um den Zugang zu ermöglichen. Es verhält sich wie mit Schuhen. Equity stellt sicher, dass wir nicht nur alle Schuhe tragen können, sondern auch Schuhe, die zu uns passen. Natürlich mit dem Ziel, dass eine Person damit sein ganzes Potential ausschöpfen kann - um die Extrameile bequem gehen zu können.
Bei aller Bereitschaft und positiven Entwicklungen, gibt es aber wie immer auch eine Kehrseite der Medaille. Zum Beispiel, wie viele verschiedene Support-Schuhe müssen wir erschaffen, um komplette Fairness zu erhalten, damit alle Personen gleich behandelt werden? Je mehr Kategorien gebildet werden, desto komplexer wird es - und es bleiben evtl. gar Kategorien, in denen sich plötzlich niemand mehr wiederfindet.. Ist es daher überhaupt möglich und richtig allen gerecht zu werden? Und: Herrscht momentan gar eine Ungleichbehandlung zugunsten derjenigen, die am lautesten sind? Ich kann mir gut vorstellen, dass daher mittelfristig wieder gilt: Weniger ist mehr! Wie in allen Revolutionen: Von einem Extrem ins andere und am Ende treffen wir uns idealerweise in der Mitte. Der Weg dahin ist nicht linear, meist holprig und manchmal steckt man fest.
Was mich zudem beschäftigt ist, was bedeutet volle Diversität und Equity für die Persönlichkeitsbildung eines jeden? Das spannendste an uns Menschen sind doch die einzelnen Persönlichkeiten und ihre Stärken und Schwächen. Besteht nicht die Gefahr, dass wir durch zu viel Equity und Diversity Personen davon abhalten, ihren intrinsischen Fähigkeiten zu folgen und dort ihr eigenes bestes “Ich” zu entwickeln? Dies, da erhebliche Unterstützungsmöglichkeiten vorhanden sind, um erfolgreich zu sein - so viel, dass man nie mehr bis zum äussersten gefordert wird und dadurch auch nie sein bestes “ich” erreicht. Oder dass man gar denkt, man habe eine intrinsische Stärke - in Tat und Wahrheit ist es jedoch die Stärke der Helfenden. Ein für mich beängstigendes Szenario. Welche Fülle an Kreativität, Innovation und Leidenschaft würde uns da entgehen!
Wie so oft gilt es auch hier die richtige Balance zu finden. Was auch immer sie ist und wie sie interpretiert wird. Ich bin gespannt darauf, diese Entwicklung erleben und hoffentlich auch etwas prägen zu dürfen.
Bernhard